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Potenzial dank Partnerschaft

Die Digitalisierung der deutschen Krankenhäuser ist eine der größten Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen. Es fehlen IT-Fachkräfte und finanzielle Mittel gleichermaßen. Oft tun sich die Häuser schon schwer damit, normale Abläufe im Arbeitsalltag zu digitalisieren. Eine pragmatische Lösung für dieses Digitalisierungsdilemma liegt in der Auslagerung der Klinik-IT. In Bayern machen erste Kliniken vor, wie das funktioniert – mit erstaunlichen Ergebnissen.

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Den Digitalisierungsgrad in Deutschlands Kliniken zu steigern, ist eines der vordringlichsten Ziele der aktuellen Gesundheitspolitik. Das im Jahr 2020 in Kraft getretene Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) sollte wesentliche Fortschritte bringen. Doch die Fördergelder wirken eher wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Angesichts des Rückstandes bei der Klinik-IT reichten sie bisher längst nicht aus, um die zahlreichen Digitalisierungsdefizite zu beseitigen. Auch ein zentrales Problem konnte das Gesetz bis jetzt nicht lösen, nämlich dass Krankenhäuser im Kampf um begehrte IT-Fachkräfte kaum mit Unternehmen aus der Industrie oder ITK-Branche mithalten können.

„Der Aufwand, mehrere hundert Server zu administrieren, ist dank der heute zur Verfügung stehenden Technologien kaum größer als bei einigen Dutzend Servern.“

Dr. Marten Neubauer
Dr. Marten Neubauer, Field Director Healthcare bei Dell Technologies

Eine pragmatische Lösung für das Digitalisierungsdilemma liegt in der Auslagerung der Klinik-IT. Gerade in diesem Punkt sieht Dr. Ing. Marten Neubauer, Field Director Healthcare bei Dell Technologies sehr viel Potenzial (zum Interview). Er schätzt, dass mehr als 90 Prozent der Krankenhäuser ihre IT immer noch in Eigenregie betreiben. „Es macht in der heutigen Kliniklandschaft hingegen Sinn, wenn sich einzelne Kliniken bei der IT zusammentun“, sagt der Digitalisierungs-Experte. „Denn das ist eine grundlegende Frage von Economy of Scale. Der Aufwand, mehrere hundert Server zu administrieren, ist dank der heute zur Verfügung stehenden Technologien kaum größer als bei einigen Dutzend Servern. Wer das nach wie vor kleinteilig angeht, muss vieles noch händisch erledigen, was im großen Stil längst automatisiert erfolgt, und eben nur wenig mehr Aufwand bedeutet.“

Konzentration auf die Einführung moderner Technologien

Bei einer Auslagerung von Komponenten der Klinik-IT könnten sich die internen IT-Teams kleiner Kliniken laut Dr. Marten Neubauer mehr auf die Einführung moderner Technologien konzentrieren, statt den Großteil ihrer Ressourcen für den Betrieb grundlegender Infrastrukturen aufzuwenden. Sie könnten das Krankenhaus viel besser bei seinen Kernkompetenzen unterstützen – der Diagnose und Behandlung von Erkrankungen. Etwa durch neue Anwendungen für Telemedizin, das Anpassen von Oberflächen, die Unterstützung beim Erstellen von Arztbriefen oder KI bei der Bildanalyse von diagnostischen Aufnahmen, während sich spezialisierte Partner, wie große Kliniken, um die Verwaltung der IT-Systeme, Anwendungen und Daten kümmern.

Erste richtungsweisende Beispiele für diesen Weg kommen jetzt aus Bayern: Dort hat das InnKlinikum vor einigen Monaten sein Rechenzentrum von Mühldorf an das Klinikum Traunstein verlegt. Damit übernimmt die Kliniken Südostbayern AG (KSOB) auch die Verantwortung für eines der wichtigsten Systeme an den beiden InnKlinikum-Standorten in Mühldorf und Haag/Obb. Vorbereitet haben die IT-Verantwortlichen an den KSOB und am InnKlinikum die Verlegung des Rechenzentrums gemeinsam mit der CompuGroup Medical SE & Co. KGaA (CGM). Für das innovative Betriebskonzept wurde das Projekt bereits mit dem Kunden-Award von CGM ausgezeichnet. Ziel ist es, gemeinsame Ressourcen und Kenntnisse zu bündeln, um einen qualitativen und wirtschaftlichen Mehrwert für beide Klinikverbünde zu erzielen.

Detailreicher Projektplan

Im Rahmen des Projektes gibt es zahlreiche Details zu beachten: „Bei einem KIS-System zum Beispiel gibt es eine hohe Zahl unterschiedlicher Nutzer und zudem hunderte verschiedene Schnittstelle und Systeme, die miteinander interagieren. Dementsprechend hoch ist der Abstimmungsbedarf zwischen den beteiligten Parteien bei der Implementierung. Priorität haben zunächst Datenschutz und Datensicherheit“, sagt Michael Schösser, Area Vice President bei der CompuGroup Medical. „Dazu müssen viele verschiedene Schutzmaßnahmen ergriffen werden, etwa die Trennung der Netzbereiche, Firewalls, KI-gestützte Sicherheitssoftware, Ransomware sichere Backupkonzepte, wie z. B. MEDICO ProtectIT, oder rechts-/revisionssichere Archiv-/Speicherkonzepte, die wir gemeinsam mit unserem Partner FAST-LTA erstellt haben.“ Neben den allgemeinen technischen Herausforderungen war in diesem Fall der Faktor Zeit ein zentrales Thema: Von Auftragseingang bis zur Echtmigration vergingen gerade mal acht Monate.

Michael Schösser
Michael Schösser, Area Vice President bei der CompuGroup Medical

Der konkrete Ablauf der IT-Vernetzung folgte einem klaren Plan: Teams aus dem Klinikum Mühldorf und den Kliniken Südostbayern haben im Vorfeld den Grundaufbau des Rechenzentrums übernommen, etwa Design und Grundinstallation der Hardware oder der Netzwerk- Client/Citrix-Infrastruktur. „Darauf aufbauend hat das CGM-Projektteam alle Serverkomponenten des Krankenhaus Informationssystems CGM MEDICO in dem neuen Rechenzentrum bereitgestellt“ erläutert Michael Schösser.

„Auf Basis der im Rahmen einer Testmigration gewonnenen Erkenntnisse wurden dann sukzessive alle Subsysteme des Innklinikums in das neue Rechenzentrum überführt und für die anstehende Echtbetriebsumstellung vorbereitet und einzeln getestet.“ Im Sommer 2023 kam es dann zum Go-Live.

„Kaum eine Klinik wird die Herausforderungen der Digitalisierung künftig allein bewältigen können.“

„Das InnKlinikum ist schon seit längerem einer unserer engsten Partner“, sagt Dr. Uwe Gretscher, Vorstandsvorsitzender der KSOB. „Neben dem kollegialen ärztlichen Austausch kooperieren wir mit dem InnKlinikum bereits über gemeinsames Personal in den Bereichen Pflegeentwicklung und Kosten-/Prozesssteuerung. Durch die klinikübergreifende Nutzung des Rechenzentrums stärken wir nun auch unsere Zusammenarbeit in den Bereichen IT und Digitalisierung.“ Auch Thomas Ewald, Vorstandsvorsitzender des InnKlinikums, unterstreicht die Vorteile des Betriebskonzepts: „Kaum eine Klinik wird die Herausforderungen der Digitalisierung künftig allein bewältigen können. Mit den KSOB haben wir einen verlässlichen Partner, mit dem wir unsere Kompetenzen im IT-Projektmanagement und in der Softwareanwendung noch weiter entwickeln können.“

Übergreifende IT-Abteilung für zehn Standorte

Andreas Lange
Andreas Lange, Bereichsleiter Digitalisierung und Innovation (CIO) der Kliniken Südostbayern AG

Einen tieferen Einblick in die Details gibt Andreas Lange. Der Bereichsleiter Digitalisierung und Innovation (CIO) der Kliniken Südostbayern AG trägt die fachliche Verantwortung für die Umsetzung der Kooperation. Nach der Übernahme des Rechenzentrums aus Mühldorf kommt jetzt noch der Standort Altötting dazu. Aktuell ist die KSOB gerade dabei, für beide Verbünde eine Träger-übergreifende IT-Abteilung zu schaffen für insgesamt zehn Standorte mit 2150 Betten. „Da intensivieren wir die Zusammenarbeit weiter und sind schon auf einem sehr guten Weg“, sagt Andreas Lange. „Mit den Kollegen des Innklinikums tauschen wir uns schon länger aus, zum Beispiel bei der Herausforderung der KIS-Installation. Jetzt konnten wir den Kollegen mit dem Potenzial in unserem Rechenzentrum zur Seite springen und sie deutlich schneller machen. Wir haben für die IT-Kollegen im InnKlinikum schätzungsweise sechs bis acht Monate Zeit gespart.“ Von der KSOB mitverwaltet werden nahezu die komplette IT des Klinikums Mühldorf und Teile der Finanzverwaltung. Auch das ERP-System sowie Exchange und Kommunikationsserver werden Schritt für Schritt von Mühldorf nach Traunstein verlagert.

„Es macht keinen Sinn, redundante Rechenkapazitäten vorzuhalten von speziellen Räumlichkeiten über Storage-Lösungen bis zu Firewalls. Und Dinge wie IT-Sicherheit, Dokumentationspflichten, Telematikeinführung, das kann man auch alles im großen Stil machen. Wir haben jetzt zudem einen größeren Expertenpool, müssen alles, was wir anfassen, nur einmal durchdenken. Wir vermeiden Doppelarbeiten, erwirtschaften Skaleneffekte und sind mit der gleichen Anzahl von Kollegen sehr viel effektiver“, sagt Andreas Lange. „Im Gegenzug profitieren wir in der KSOB auch von Ideen, die das Innklinikum schon umgesetzt hatte, wie im Bereich der Arztbriefschreibung, der digitalen Arztbrieffreigabe oder im Bereich Behördenpostfach.“

Effizienzgewinne von 20 Prozent

Auch andere Ergebnisse können sich sehen lassen: „Wir sind nach der IT-Kooperation schon 20 Prozent schneller und besser geworden, zum Beispiel durch die Abschaffung von Kommunikationsbrüchen“, so der Klinik-CIO. „Im Vordergrund steht ja immer, die beste Medizin in einem Krankenhaus machen. Und durch die gemeinsame Nutzung von IT-Plattformen, einheitlichen Serverlandschaften und KIS-Systemen können wir mehr Nutzen für das Klinikpersonal und damit auch für die Patienten schaffen.“

So profitieren die Patienten etwa über die Anwendungen wie den Medikations-Check im Hintergrund. Durch das Patientenportal werden die Patienten noch besser in die Kommunikation eingebunden. Überflüssige Anordnungen können zum Beispiel durch Algorithmen überprüft werden. „Wir haben schon 300 Spot-Monitore, über die Vitalparameter wie Puls, Blutdruck und Temperatur vom Patientenbett in die Fieberkurve übertragen werden. Das bedeutet eine höhere Dokumentationssicherheit, und das ärztliche Personal erkennt mögliche Problematiken früher als bisher“, so Andreas Lange.

Die unterschiedlichen Technologien zu administrieren, ist für Andreas Lange im Zuge der IT-Kooperation nur eine der großen Aufgaben: „Technologisch ist alles lösbar“ sagt er. „Eminent wichtig in diesem Prozess ist es, alle Beteiligten kommunikativ auf dem gleichen Stand zu halten, und die Ängste und Sorgen der Belegschaft abbauen. Gemeinsame Strukturen zu leben, das ist die große Herausforderung. Denn das Projekt ist ja auch ein Kulturwechsel. Es muss sich jeder Beteiligte in dem Prozess wohlfühlen.“

„Gemeinsame Strukturen zu leben, das ist die große Herausforderung.“

Klinik IT eG: Gemeinsame IT-Lösungen für 106 Krankenhäuser

Auch eine weitere klinikübergreifende Kooperation für gemeinsame IT-Lösungen kommt aktuell aus dem Freistaat: So gründeten bayerische Krankenhäuser im Mai vergangenen Jahres die Klinik IT Genossenschaft (Klinik IT eG). Zum Wohle der Patientenversorgung bündelt die Genossenschaft die Kräfte und Interessen der Krankenhäuser im IT-Bereich. Inzwischen sind 56 Klinikträger mit 106 Krankenhäusern und 26.000 Betten bei der Genossenschaft mit von der Partie. Konkret sollen gemeinsame IT-Lösungen projektiert, entwickelt und beschafft werden. Ein erstes Projekt ist die Realisierung und die Koordination des Betriebs eines gemeinsamen Patientenportals „mein-krankenhaus.bayern“, gefördert durch das KHZG. Die Kliniken Südostbayern AG und die InnKlinikum gKU Altötting und Mühldorf (AöR) sind als Gründungsmitglieder an der Klinik IT eG beteiligt.

Sebastian Lehotzki
Sebastian Lehotzki, Geschäftsführer der Klinikum Aschaffenburg-Alzenau gemGmbH

Zudem entwickelt die Genossenschaft eine gemeinsame Digitalstrategie für die beteiligten Krankenhäuser. Das Vorhaben wurde in den Digitalplan des bayerischen Staatsministeriums für Digitales aufgenommen worden, und es findet ein enger Austausch mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege statt. Sebastian Lehotzki, Geschäftsführer der Klinikum Aschaffenburg-Alzenau gemGmbH und Aufsichtsratsvorsitzender der neuen Gesellschaft, sieht großes Potenzial in der Zusammenarbeit: „Die Klinik IT eG bietet ihren Mitgliedern zahlreiche Chancen, die Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung künftig leichter zu bewältigen: Skaleneffekte können gehoben, die Position am Markt gestärkt, gesetzliche Anforderungen leichter erfüllt werden, um nur einige zu nennen.“

Interoperable Plattform für digitale Lösungen

Und die Genossenschaft hat noch weit mehr vor, erläutert Andreas Lange, der auch in diesem Projekt die strategische und technologische Verantwortung trägt. „Die Kliniken haben über eine Interoperabilitätsplattform, die wir einrichten, noch weiterreichende Potenziale.“ Diese Plattform fungiert dabei in etwa wie ein Mehrfachstecker. Bereitgestellt wird diese Plattform von der Firma Siemens Healthineers, die den Patientenpfad in der Krankenhausbehandlung digital begleiten soll – von der Aufnahme der Patienten über die Behandlung bis zum Entlass-Management. Siemens Healtineers hat als Generalunternehmer noch weitere Partner in das Angebot integriert. Eingebunden wird in der Plattform beispielsweise ein Healthcare-Professional-Portal für die Klinikmitarbeiter. Aber auch niedergelassene Ärzte, die Patienten in die beteiligten Kliniken schicken, können darüber kommunizieren. Zudem wird ein Übergang in die Telematikinfrastruktur geschaffen. Ebenfalls kompatibel mit der Plattform werden weitere externe Mehrwertdienste sein, von kreativen Start-up-Lösungen bis zum Taxiservice für Patienten.

Eine der größten aktuellen Herausforderungen für die Kliniken ist das Thema IT-Security. In der Genossenschaft werden den Kliniken daher auch gemeinsame Sicherheitslösungen angeboten. „Wir entwickeln eine Incident Response Lösung mit Notfall-Checklisten und Verhaltenstipps. Wir analysieren, wie und wo Security-Probleme auftreten könnten, und überlegen gemeinsam nächste Schritte. Allein die Anforderungen an die Dokumentation sind für kleinere und mittlere Häuser nicht mehr machbar. Da braucht es zentrale Strukturen, auch weil die besonders schützenswert sind“, sagt Andreas Lange.

Erhebliche Vorteile für die Patienten

Die interoperable Plattform und die Patientenportale der Krankenhäuser sollen Ende 2024 in Betrieb gehen. „Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, diese große Anzahl von Krankenhäusern für unsere gemeinsame Ausschreibung und den Aufbau einer einheitlichen Struktur zu gewinnen. Die Fördermittel von Bund und Länder, die im Rahmen des KHZGs für die Kliniken bereitgestellt werden, können so sehr effizient eingesetzt und unsere Ressourcen gebündelt werden“, sagt Manfred Wendl, Vorstandsmitglied der Klinik Kompetenz Bayern (KKB), der die gemeinsame Ausschreibung koordiniert hat. „Es wäre für eine einzelne Klinik kaum möglich gewesen, ein Portal mit diesen vielfältigen und umfassenden Funktionalitäten und diesen Konditionen aufzubauen. Durch die Bündelung kann auch der Support für das Patientenportal gewährleistet werden, was angesichts des Fachkräftemangels in den Kliniken kaum realisierbar wäre.“

„Die Fördermittel von Bund und Länder, die im Rahmen des KHZGs für die Kliniken bereitgestellt werden, können so sehr effizient eingesetzt und unsere Ressourcen gebündelt werden.“

Jedes Krankenhaus wird ein „Frontend“ zur Interaktion mit den Patienten erhalten. Der IT-Betrieb findet standardbasiert und zentral statt. Für die Patienten hat dies erhebliche Vorteile, denn sie können mit nur einer Benutzer-App beziehungsweise Benutzeroberfläche mit allen teilnehmenden Kliniken kommunizieren, ohne das System wechseln oder ihre Daten neu eingeben zu müssen. „Das Projekt ist in seiner Größenordnung und technologischen Ausrichtung wegweisend für den Krankenhaussektor“, so die Einordnung von Andreas Lange. „Insgesamt stellen sich die bayerischen Krankenhäuser damit zukunftssicher auf und schaffen die Grundlagen für die weitere Zusammenarbeit im Bereich der Digitalisierung.“

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