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DiGA: Auf der Überholspur zur App auf Rezept

Ob Blutzuckerkontrolle oder Arzneimitteleinnahme: Mit einem beschleunigten Zulassungsverfahren für Gesundheits-Apps will das Gesundheitsministerium deren Nutzung fördern. Die ersten 15 App-Kandidaten sind in das Verfahren gestartet. Sobald die Anwendungen zugelassen sind, können Patienten sie sich vom Arzt verschreiben und von ihrer Krankenkasse erstatten lassen.

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gibt Gas bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Von einem der Projekte, die er dabei vorantreibt, werden die Patienten schon in Kürze profitieren: Mit dem Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) am 19. Dezember 2019 wurde die „App auf Rezept“ für Patientinnen und Patienten in die Gesundheitsversorgung eingeführt. Rund 73 Millionen Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erhalten damit künftig Anspruch auf eine Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA: siehe Kasten).

Diese können von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet oder durch die Krankenkasse genehmigt werden, und stehen damit fortan gleichberechtigt neben Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. Versicherte, die ihrer Krankenkasse einen Nachweis über eine entsprechende Indikation vorlegen, erhalten eine gewünschte DiGA sogar ohne ärztliche Verordnung.

DiGAs könnten schon im Herbst 2020 an den Start gehen

Schon im Herbst 2020 könnten die ersten DiGAs an den Start gehen. Das liegt insbesondere an dem beschleunigten Zulassungsmodus, mit dem Anträge von Unternehmen bearbeitet werden. Denn der Gesetzgeber hat dafür eine Überholspur etabliert: das sogenannte „Fast-Track-Verfahren“. „Durch den Fast-Track-Prozess gelingt es, schneller die Erstattungsfähigkeit zu bekommen.

Seit Ende Mai können Unternehmen die Zulassung für ihre DiGA beantragen. Über die vorläufige Listung werden die ersten Unternehmen dann bereits Ende August beziehungsweise Anfang September dieses Jahres informiert, also nur drei Monate nach Eingang des vollständigen Antrags. Bei herkömmlichen Arzneimitteln dauert dieser Prozess in der Regel mehrere Jahre“, sagt Maik Pommer, Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das unter der Regie des Bundesgesundheitsministeriums für die Zulassung von Fertigarzneimitteln verantwortlich ist. „Da es sich um ein Medizinprodukt handelt, muss allerdings der Zertifizierungsprozess zum Zeitpunkt der Beantragung abgeschlossen sein.“

15 App-Kandidaten für die Nutzung von DiGA in alphabetischer Reihenfolge

  1. Ada mit der Anwendung „Deine Gesundheitshelferin“
  2. aidhere mit dem digitalen Adipositas-Programm zanadio
  3. Antaris mit der Plattform für psychische Gesundheit mentalis
  4. HiDoc mit Cara Care, einer Anwendung für Menschen mit Verdauungsproblemen
  5. Kenkou mit dem Kenkou Stress Guide
  6. net GmbH & Co.KG mit BlutdruckDaten + SciTM
  7. net mit der Blutdrucktelemonitoring-Anwendung BlutdruckDaten/SciTIM
  8. Lindera mit einer Mobilitätsanalyse App
  9. mementor DE mit dem digitalen Schlaftraining somnio
  10. mySugr mit dem gleichnamigen Blutzuckertagebuch
  11. Newsenselab mit der M-sense Migräne-App
  12. Perfood mit der Migränetherapie sinCephalea
  13. Selfapy mit dem gleichnamigen Programm für psychische Erkrankungen
  14. TIM – Telemonitoring Interventions in Medicine mit der Blutdruck-Telemonitoring-Lösung SciTIM
  15. Vivira Health Lab mit dem Vivira Training für zu Hause

 

Voraussetzung für die Zulassung von DiGAs

Grundsätzliche Voraussetzung für die Zulassung ist, dass die beantragten DiGA das Prüfverfahren beim BfArM erfolgreich durchlaufen haben und anschließend in einem neu zu schaffenden Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen, dem DiGA-Verzeichnis, gelistet sind. Kern des Verfahrens sind die Prüfung der Herstellerangaben zu den geforderten Produkteigenschaften.

Gleichzeitig wurde damit erstmals ein umfassendes Anforderungsprofil für DiGA in der Gesundheitsversorgung definiert. „Es geht von der Grundannahme aus, dass digitale Anwendungen sowohl sicher als auch leicht zu nutzen sein müssen, wenn sie erfolgreich in der Gesundheitsversorgung etabliert werden sollen“, erläutert Julia Hagen, Direktorin für Regulierung und Politik beim Health Innovation Hub, einem Beratungsgremium, das unter anderem im vergangenen Jahr das Bundesgesundheitsministerium bei der Gesetzesvorlage für die DiGAs beraten hat. „Ein wesentliches Ziel ist zudem, bei einem hohen Niveau an Datenschutz und Informationssicherheit digitale Lösungen mit echtem Impact für Patientinnen und Patienten in die Versorgung zu bringen.“

Ein wichtiger Schwerpunkt liege dabei auf größtmöglicher Transparenz, so Hagen: Für die Hersteller der DiGA soll der Weg in die Erstattungsfähigkeit durch die Formulierung eindeutiger Vorgaben und Interpretationshilfen gut planbar sein. „Eine DiGA muss aber auch zeigen, dass sie medizinischen Nutzen und positive Versorgungseffekte mit sich bringt“, betont die Beraterin.

Markt digitaler Gesundheitsapps glich bislang einem Flickenteppich

Bislang glich der Markt digitaler Gesundheitsapps eher einem Flickenteppich: Es gab zwar unterschiedliche, vereinzelte Möglichkeiten Apps zu nutzen, diese waren aber nicht verschreibungsfähig. Sie wurden lediglich von den einzelnen Krankenkassen ihren Versicherten angeboten, beschränkt jeweils auf eine Krankenkasse. „Jetzt werden die DiGAs allen Patienten zur Verfügung gestellt und Krankenkassen können ihren Versicherten diese auch genehmigen, ohne dass diese beim Arzt gewesen sein müssen, sofern die entsprechende Indikation vorliegt“, erläutert Julia Hagen. „Das ist ein großer Schritt nach vorne, der auch die Gesundheitskompetenz der Patienten im Umgang mit der eigenen Krankheit stärken kann.“

Falls für die DiGA noch keine ausreichenden Nachweise für positive Versorgungseffekte vorliegen, aber die weiteren Anforderungen erfüllt sind, kann der Hersteller auch einen Antrag auf vorläufige Aufnahme in das Verzeichnis stellen und die notwendige vergleichende Studie innerhalb einer Erprobungsphase von bis zu einem Jahr, in Ausnahmefällen bis zu zwei Jahren, durchführen. Wenn eine DiGA im Verzeichnis gelistet ist, erhalten Ärztinnen und Ärzte zu jedem Zeitpunkt eine zusätzliche Vergütung, falls durch den Einsatz der DiGA im Rahmen der Behandlung zusätzliche ärztliche Leistungen erforderlich sind.

Schon mehr als 500 Anträge sind eingegangen

Wie viele DiGAs es bis Ende des Jahres in Deutschland gibt, ist nicht genau absehbar. Erste Hinweise gibt es allerdings. „Im entsprechenden Portal des BfArM sind schon mehr als 500 Anträge angelegt“, weiß Julia Hagen. „Wir gehen davon aus, dass unter diesen 500 Anträgen viele Neugierige dabei sind, die sich das Verfahren aus Interesse angesehen haben. Einer der Verbände der DiGA-Hersteller gibt zum Beispiel an, dass die ersten 15 Mitglieder Anträge stellen wollen.“ Eine DiGA ist laut Definition ein Medizinprodukt, das folgende Eigenschaften mitbringt:

  • Medizinprodukt der Risikoklasse I oder IIa (nach der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) oder, im Rahmen der Übergangsvorschriften, nach der ursprünglichen Medizinprodukte-Richtlinie MDD (Medical Device Directive);
  • die Hauptfunktion der DiGA beruht auf digitalen Technologien;
  • der medizinische Zweck wird wesentlich durch die digitale Hauptfunktion erreicht;
  • die DiGA unterstützt die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen;
  • die DiGA wird vom Patienten oder von Leistungserbringer und Patient gemeinsam genutzt.

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