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Monika Schindler

„Gesichert ist gar nichts.“

Über den Stand der Entwicklung bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und das fehlende Vertrauen der Ärzte in die TI – unser Interview mit Monika Schindler, Leiterin für Digitalisierung im Strategischen Geschäftsbereich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.

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Der Zentralverband des Deutschen Handwerks spricht von knapp über 50 Prozent der Ärzte, die mit KIM ausgestattet sind. Und das, obwohl seit dem 1. Juli dieses Jahres für die Arztpraxen die Pflicht besteht, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Krankenkassen elektronisch zu übermitteln. Wie ist der Stand in Bayern und bundesweit nach Ihrer Kenntnis?

Bislang verzeichnen wir bundesweit etwa 76.000 KIM-Adressen ohne die Zahnärzte, und insgesamt gibt es schätzungsweise 85.000 bis 90.000 AU-ausstellende Praxen. Somit sind schon deutlich über 50 Prozent mit KIM ausgestattet. In Bayern sieht es so aus: 9500 Praxen sind mit KIM-Adressen ausgestattet, das sind etwa 75 Prozent der AU-ausstellenden Praxen, immerhin ein Viertel hat aber noch keine KIM-Adresse. Unseres Wissens nutzen aber nahezu 90 Prozent aller Praxen inzwischen die Stylesheets und setzen das Muster 1 nicht mehr aktiv ein.

Wie ist denn der Stand bei der Nutzung der eAU?

Wirklich belastbare Zahlen liegen uns dazu nicht vor, zum Beispiel zur täglichen Nutzung derzeit. Laut verfügbaren Zahlen der Gematik wurden aber inzwischen mehr als 23 Mio. eAUs an die Kassen gesendet, das ist eine deutliche Steigerung. Zuletzt auch im Juli mit 6,6 Millionen gegenüber dem Juni mit 2,9 Millionen. Das kann aber auch zweierlei bedeuten: Entweder, dass vom Quartalsübergang von Q2 auf Q3 viele Praxen das eAU-Modul aktiviert haben und jetzt aktiv nutzen oder dass durch gehäufte Corona-Fälle mehr AUs ausgestellt wurden.

Als digitalen Prozess lässt sich die eAU aber noch lange nicht bezeichnen. Die Arztpraxen sind ja immerhin verpflichtet, das Stylesheet auszudrucken und dem Patienten in die Hand zu drücken. Wir sind also in Sachen Digitalisierung noch nicht da, wo wir hinwollen. Das ist alles noch optimierungsbedürftig. Es treten auch immer noch Fehler auf, wenn auch allmählich reduziert. Aber ein Prozent Fehler bei 6,6 Millionen bedeuten auch mehr als 60.0000 Fehlermeldungen. Das ist unseres Erachtens eindeutig zu viel.

Ist den Arztpraxen bewusst, was da an Anforderungen im Rahmen der TI auf sie zukommt?

Auf jeden Fall. Aber sehr viele Praxen haben mit der TI nicht sonderlich gute Erfahrungen gemacht. Zuletzt hat es in der Technik beachtlich geknirscht beim Einlesen von elektronischen Gesundheitskarten wegen der Elektrostatik-Probleme, die zahlreiche Praxissysteme zum Absturz brachten. Das fördert nicht die Akzeptanz für die TI.

Daher sind viele Ärzte stetig zurückhaltender geworden oder scheuen sogar neue Anwendungen, da sie befürchten, sich damit die nächsten Probleme ins Haus zu holen. Es gibt noch keine einzige Anwendung, die fehlerfrei, aufwandsarm und komplett digital läuft, geschweige denn Mehrwerte für den Praxisalltag liefert. In dieser Situation lässt sich kein Vertrauen in die TI aufbauen.

Woran liegt das?

Wie schlimm die Situation um die Akzeptanz der TI steht, zeigt das Beispiel Konnektortausch: Bei allen Praxen, die im Jahr 2017 angebunden wurden, müssen jetzt die Konnektoren ausgetauscht werden. Viele dieser Early Adopter haben jetzt keine Lust mehr. Das ist teilweise schon drastisch. Die Beschwerden der Arztpraxen in Bezug auf die instabile Technik und die dysfunktionalen Anwendungen werden von den zuständigen Anbietern und in Teilen von der gematik nicht ernst genug genommen.

Häufig fällt die Problemsuche in dem sehr heterogenen technischen Praxisumfeld schwer, das ist klar. Aber eine echte Interoperabilität ist bis dato nicht erkennbar. Ein schwieriges Thema. Das fördert leider auch Ängste und Bedenken vor neuen Anwendungen. Zudem gibt es in Bezug auf die neuen Anwendungen eAU und E-Rezept noch keine finanziellen Konsequenzen. Dann warten viele lieber ab, bis es irgendwann hoffentlich besser wird.

Ist der pünktliche Start der eAU Stufe 2 zum 1.1.23 gefährdet? Wenn ja, woran liegt das?

Gesichert ist gar nichts, erst recht nicht, wenn es mit der TI zu tun hat. Wir wissen aber nicht, wie viele Arbeitgeber das Verfahren schon testen. Einige Große machen das nach Angaben der gematik schon, aber bei den Kleineren habe ich meine Zweifel, dass die genau wissen, wie das funktioniert. Ich glaube eher nicht an eine 100-prozentige Ausstattung. Man macht dann eben weiter wie gehabt und bleibt analog. Die Arbeitgeber haben ja keine Sanktion zu befürchten – das sieht das Gesetz nicht vor. Die Mehrarbeit haben dann wieder die Arztpraxen, die die zusätzlichen Arbeitgeberkopien für die Patienten ausdrucken müssen.

Wie läuft das eAU-Verfahren dann ab?

Im Stylesheet sind ja inhaltlich dieselben Daten drin, wie im Muster 1. Technologisch ist für die Nutzung des Stylesheets ein Update für das Praxisverwaltungssystem erforderlich. Das Stylesheet wird dann zum einen auf digitalem Weg an die Kasse übermittelt und zum anderen für den Patienten – und in der aktuellen Stufe 1 auch noch für dessen Arbeitgeber – ausgedruckt. In der Stufe 2 erhält der Patient nur noch eine Ausfertigung für sich. Der Arbeitgeber muss die AU-Daten dann auf einem Online-Portal der Krankenkasse abrufen. Wir können nur hoffen, dass die Arbeitgeber von den Kassen und dem Gesetzgeber besser über Stufe 2 informiert werden als bisher.

Aktuell kommt es leider immer wieder vor, dass Arbeitgeber das Stylesheet von ihren Mitarbeitern nicht akzeptieren wollen, da sie es schlichtweg nicht kennen. Das Stylesheet enthält auch einen Barcode, der es den Krankenkassen ermöglicht, die Daten bei sich digital einlesen zu können. Das ist halt mal wieder eine Erleichterung für die Kassen, nicht aber für die Ärzte.

Wir warten immer noch auf die Anwendung, bei der wir auch den echten Mehrwert für die Arztpraxen erkennen. Schade, dass versäumt wurde, KIM mit dem eArztbrief als Zugpferd schon früher in die Arztpraxen zu bringen. Viele machen jetzt weder eAU noch eArztbrief. Wenn der eArztbrief über KIM stärker propagiert und deutlich besser finanziell gefördert worden wäre, wären wir heute schon sehr viel weiter.

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2 Antworten

    1. Hallo Herr Geuer,

      wenn Sie das E-Rezept meinen – ja. Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, Ihnen einen Ausdruck des Rezept-Codes (ähnlich QR-Code) mitzugeben, wenn Sie das möchten.

      Beste Grüße, Ihr Digitales Gesundheitswesen

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