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Ein Arzt mit iPad auf Stellensuche

Arzt auf Stellensuche: Die Digital Leader machen das Rennen

Der Kampf am Arbeitsmarkt um Talente und Spitzenkräfte erreicht die Krankenhäuser. Die besten Nachwuchskräfte und Ärzte berücksichtigen bei ihrer Stellensuche primär die, die bei der Digitalisierung top aufgestellt sind und das auch gut kommunizieren.

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Stellensuche Arzt: Einige Kliniken wissen schon, wie es geht – die Berliner Charité-Klinik und die Universitätsmedizin Mainz beispielsweise. Sie waren am 18. Mai 2020 gemeinsame Gastgeber zum Kick-off des diesjährigen Healthcare Hackathons. Die interaktive Veranstaltungsreihe wurde aus gegebenem Anlass erstmals fast komplett online ausgetragen und brachte digitale Expertinnen und Experten aus Universitätsklinika bundesweit zusammen. Ziel der Veranstaltung: Klinikübergreifende Lösungen mit digitalem Schwerpunkt vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie gemeinsam zu erarbeiten. Der Healthcare Hackathon widmete sich dabei Vorhaben rund um die aktuellen Themen digitale Pflege, künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Botsysteme, Notfallmedizin oder auch Apps für Patientinnen, Patienten und Ärzte sowie für Prävention.

Eine Veranstaltung, die über die reinen Sachthemen hinaus auch Auswirkungen auf die Chancen am immer stärker umkämpften Arbeitsmarkt im Klinikbereich habe, stellt Claudia Gschwind fest. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin von HealthCorp Partners, einer Personalberatung die Kliniken bei der Stellenbesetzung unterstützt, vom Assistenzarzt über den Chefarzt bis zum Vorstand. „Da geht es auch um Arbeitgeber-Attraktivität“, sagt die Personalberaterin. „Denn der Digitalisierungsgrad einer Klinik wird für den Karriereweg von Ärzten – vom Nachwuchsarzt bis zum Chefarzt – ein zunehmend wichtiger werdendes Entscheidungskriterium bei der Stellensuche. Leider hinken viele Kliniken diesbezüglich ja noch weit zurück.“

Digitalisierung: Junge Nachwuchsärzte erwarten „mehr“

Die Nase vorn haben ihrer Erfahrung nach die universitären und privaten Häuser, die schon seit längerem auch eigene Programme aufsetzen, um digital-affine Ärzte bei ihrer Stellensuche mehr zu ködern. Probleme sieht sie dagegen bei den kommunalen Häusern in ländlichen Gegenden. „Das ist eine gefährliche Entwicklung. Die Konsolidierungswelle wird ja ohnehin immer stärker. Die fortschrittlichen Ärzte gehen dann lieber zu einer Uniklinik oder zu einer privaten Klinik.“

Während sich die ältere Ärzte-Generation selber mit der Digitalisierung noch schwer tut, achte das ärztliche Mittelalter zwischen 35 und 55 Jahren schon sehr viel genauer darauf. Aber insbesondere die Jüngeren, die Nachwuchsärzte, würden diesbezüglich weit mehr erwarten – von der digitalen Patientenakte bis zu Bildschirmservices. „Je jünger, desto stärker zieht das Argument der Digitalisierung, wenn es um die Auswahl der Position geht“, registriert Claudia Gschwind. „Die Kliniken müssen in dem Bereich wesentlich mehr anbieten. Diejenigen, die da hinterherhinken, werden sich immer schwerer tun, ambitionierte Ärzte zu bekommen, die ihre Karriere noch vor sich haben.“

Digitalisierungsgrad einer Klinik als eines der wichtigsten Job-Kriterien für den Arzt bei seiner Stellensuche

Das bestätigt aus persönlicher Erfahrung Max Tischler, Sprecher des „Bündnis Junge Ärzte“. Der 32-Jährige befindet sich im fünften Weiterbildungsjahr als Dermatologe.  Den Digitalisierungsgrad einer Klinik oder Praxis hat der junge Arzt wie viele seiner Altersgenossen auf Stellensuche als „sehr wichtiges Thema“ für sich selber entdeckt. Allerdings müsse man dabei auch unterscheiden, auf wen die digitalen Tools zugeschnitten sind. „Als junger Facharzt oder Weiterbildungsassistent geht es darum, Prozessabläufe zu vereinfachen und Zeit für die Patientenversorgung zu gewinnen. Überstunden sind an der Tagesordnung und gehören zum Arbeitsalltag“, weiß er. „Gerade da hilft die Digitale Patientenakte, wenn diese gut organsiert und an die Gegebenheiten angepasst ist. Aber die Realität ist eine andere: Es werden Schnittstellen nicht dazu gekauft, es gibt viele parallele Programme und Doppeldokumentationen mit copy and paste, etwa bei Befunden einer Darmspiegelung.“ Und wenig funktioniere überhaupt erst automatisiert.

Zur Person: Claudia Gschwind, geschäftsführende Gesellschafterin von HealthCorp Partners AG, Schweiz. Die Personalberatung hat sich u.a. auf die Märkte HealthcarePharma und Krankenhaus spezialisiert.

Zur Person: Max Tischler, Assistenzarzt Dermatologie, ist Sprecher des Bündnis Junge Ärzte sowie der JuDerm Fachgruppe Weiterbildungsassistenten und stv. Vorsitzender des Arbeitskreis Junge Ärzte der Ärztekammer Westfalen-Lippe

Zur Person: Prof. Dr. Margit Geiger ist Dozentin am Institut New Work der Berner Fachhochschule und Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern.  

Kliniken müssten daher gegenüber Bewerbern auch nachweisen, dass Digitalisierungsprogramme nicht nur gekauft wurden, sondern auch im Einsatz sind. Typisches Beispiel: „Der QR-Code eines Medikamentenplanes eines Patienten nutzt niemanden etwas, wenn es keine Scanner dafür in den einzelnen Abteilungen gibt“, sagt der Nachwuchs-Mediziner. „Das bekommt man als Bewerber nur durch genaues Nachfragen raus. Ich würde unter anderem immer nach einer Spracherkennungssoftware für die Arztbriefe, wie dem eLogbuch, fragen sowie nach Online-Weiterbildungsmöglichkeiten und wie diese strukturiert sind.“ Ein erstes wichtiges Indiz für digitale Kompetenz liefere aber auch schon der Bewerbungsprozess: „Wenn eine Klinik in dem Bereich eine digitale Vorgehensweise hat, zeigt das schon mal die Richtung auf und wäre ein Zukunftsformat.“

Der innovative, junge Arzt als Digitalisierungs-Treiber im Krankenhaus

Der Digitalisierungsgrad einer Klinik stellt laut internationalen Studien ein zentrales Argument bei der Stellensuche für Ärzte dar, weiß Professor Dr. Margit Geiger. Sie forscht als Professorin am Institut New Work der Berner Fachhochschule zur Zukunft der Arbeit mit dem Schwerpunkt Human Resources (HR) und ist Mitglied des «Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern». Dabei beobachtet sie eine entscheidende Korrelation zwischen der Attraktivität von Kliniken als Arbeitgeber und dem Ausbau der Digitalisierung: „Vor allem junge, innovative Ärzte haben mittlerweile im Blick, wie eine Klinik digital aufgestellt ist. Da Assistenzärzte während ihrer Ausbildung leicht wechseln können, sind sie möglicherweise auch schnell wieder weg. Sie sind sehr stark vernetzt, und so durch andere Kollegen gut darüber informiert, was Kliniken in diesem Bereich zu bieten haben“, sagt sie. „Das kann sich dann auf die Verbreitung der digitalen Transformation in die Peripherie negativ auswirken, denn die eigentlichen Treiber dieser Entwicklung sind die innovativen Leistungsträger unter den Ärzten.“

Kliniken sollten sich daher als Digital Leader positionieren, wie es andere Branchen wie etwa die Automobil- oder Chemie- und Pharmaindustrie schon sehr viel länger tun. Mit strukturierten Weiterbildungsangeboten und gezielten Personalentwicklungsmaßnahmen sollten Mitarbeiter bei der digitalen Transformation unterstützt werden. Sie meint auch: „Die Investitionen sind notwendig, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Administrative Prozesse stärker zu digitalisieren, ist ein weiterer notwendiger Schwerpunkt. Dies setzt eine adäquate IT-Infrastruktur in den Kliniken voraus. Das ist aktuell ebenfalls eine große Herausforderung.“ Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit einer Klinik von der Verwaltung über die Behandlung bis zur Pflege kann verbessert werden. „Die Weiterentwicklung der Führungskultur ist notwendig, denn die Chef- und Oberärzte sind in Sachen Führung nicht ausreichend ausgebildet, wie auch aktuelle Studien belegen. Oft fehlt es an geeigneten Entwicklungsangeboten in Kliniken oder vorhandene Möglichkeiten werden nicht wahrgenommen. Da sehe ich noch einen immensen Nachholbedarf,“ so die Professorin. Erste unterstützende Softwareangebote zur Selbstreflexion der Sozialkompetenz sind bereits im Einsatz.

Digitale Weiterbildung als Jobmagnet

Chancen, sich digital attraktiver aufzustellen, bieten sich den Kliniken reichlich, ist die Wissenschaftlerin überzeugt. Außerdem werde der digitale Reifegrad eines Standorts noch viel zu selten anhand von Kennzahlen gemessen.

Ein weiterer wichtiger Bereich zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber betrifft für die HR-Expertin die Weiterbildung. „Vor allem Blended Learning-Formate nehmen an Bedeutung zu. Digitale Weiterbildungsformate wie Webinare, Apps, Lehrvideos oder die gezielte Nutzung und Weiterentwicklung von Datenbanken zu medizinspezifischen Sachverhalten werden verstärkt genutzt. Die jüngeren Ärztegenerationen sind mit neuen Medien groß geworden und erwarten ein entsprechendes Arbeitsumfeld“, sagt sie.

Nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ sollten die Kliniken ihre digitalen Fortschritte auch offensiver am Arbeitsmarkt kommunizieren, empfiehlt zudem Nachwuchsarzt Max Tischler. „Transparenz steht da an erster Stelle. Besonders, wie gut die Digitalisierungsstrategie in Bezug auf die Anwender, also die Ärztinnen und Ärzte zugeschnitten ist, sollte nach außen dargestellt werden. Da wird Vieles versprochen, was nicht gehalten werden kann, so auch meine persönliche Erfahrung. Wenn ich zum Beispiel zwei universitäre Häuser als Auswahlmöglichkeit habe, kann die bessere digitale Weiterbildungs- und Arbeitsmöglichkeit durchaus den Ausschlag geben. Wir sind halt Ärzte und ungern Sekretäre.“

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