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Dr. Martin Deile, Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmediziner in Dresden

„Deutlich weniger Stress als vorher“

Dr. Martin Deile, Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmediziner in Dresden, macht mit dem Einsatz eines privaten Messengers abseits der Telematikinfrastruktur sehr positive Erfahrungen. Auch seinen Patienten kommt das zugute.

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Sie nutzen seit einiger Zeit bereits einen Messenger. Welcher ist das und was leistet er?

Wir nutzen in unserer Praxis einen privaten Messenger, der zum Praxisverwaltungssystem Tomedo von der Zollsoft GmbH gehört. Das ist aber kein TI-Messenger, sondern ein kostenloses Modul innerhalb der Praxissoftware, mit der innerhalb der Praxis kommuniziert werden kann. Wir können zudem eine Ende-zu Ende-Verschlüsselung vom Arzt zum Patienten vornehmen. Die Identifizierung des Patienten läuft in der Praxis, dafür bekommt der Patient einen QR-Code physisch vorgelegt. Der wird über die Kamera des Handys gescannt. Daraufhin bekommt der Patient einen Code auf das Handy, das über unser Praxisverwaltungssystem vergeben wird. Den ordnen wir der Patientenakte zu. Somit fällt beispielsweise die telefonische Krankschreibung, also die Erstellung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sehr viel leichter, da brauchen wir überhaupt kein Papier mehr. Das funktioniert ebenfalls mit dem e-Rezept.

Welche Vorteile bietet Ihnen der Einsatz des Messengers zusätzlich?

Auch die Kommunikation über die Sprechstunde hinaus findet über den Messenger statt, das ist sehr praktisch. So kann ich zum Beispiel Laborwerte, Überweisungen, Arztbriefe und Bescheinigungen digital versenden. Der Patient muss dafür nicht mehr in die Praxis kommen, wenn er mit der Praxis digital verknüpft ist. Wir trennen auf diese Weise die Serviceleistung – also etwa, wenn ein Patient ein Dokument abgeben oder abholen muss – von der ärztlichen Leistung. Die genaue Zeitersparnis ist zwar schwer zu messen, aber wir sind auf jeden Fall sehr viel effizienter geworden: Mit anderthalb MFAs steuern wir 1600 Patienten pro Quartal. Seit wir den Messenger im Einsatz haben, können wir mehr Patienten behandeln und haben auch keinen Aufnahmestopp. 900 Patienten nutzen die App bereits. Das Fax haben wir schon abgeschafft. Und über die Abschaffung des Telefons denken wir gerade nach und prüfen, was da gesetzlich möglich ist.

Wie wirkt sich das auf den Praxisalltag aus?

Die Situation in der Praxis hat sich enorm entspannt. Wir haben deutlich weniger Stress für Patienten wie für die MFAs. Denn es kommen tatsächlich nur noch diejenigen Patienten in die Sprechstunde, die wirklich zum Arzt müssen. Asynchrones Arbeiten ist ein weiterer Vorteil. Zum Beispiel, wenn etwa ein Patient sich frühmorgens oder nach Praxisschluss meldet, kann ich das alles abarbeiten, in den Zeiten, wo ich mich gerade nicht um einen Patienten kümmern muss. Da ja nicht mehr so viele Patienten in der Praxis sind, entstehen auch mehr Zeitslots für solche Tätigkeiten.

Kommunizieren Sie mit Kollegen, die Messenger von anderen Anbietern nutzen? Würden Sie künftig weitere Messenger von anderen Anbietern nutzen?

Wir arbeiten schon anderthalb Jahre mit dem Produkt der Zollsoft GmbH. Unser Messenger ist aktuell mit allen Tomedo-Messengern kompatibel, wir können also darüber mit allen Ärzten kommunizieren, die ihn auch nutzen. Der Anbieter des Messengers arbeitet daran, diese irgendwann auch in TIM integrieren zu können. Mir reicht daher dieser eine Messenger. Aber es ist halt der Sinn, dass die Messenger verschiedener Anbieter untereinander kommunizieren können. Und ich hoffe, dass das dann künftig auch so kommt. Es kann aber wohl noch dauern, bis die gematik da vorwärtskommt. Hoffentlich werden da nicht andere bereits funktionierende Messenger von den gematik-Apps verdrängt, die auf den Markt kommen sollen. Meine Hoffnung ist, dass es eine offene Schnittstelle gibt, und dass sich der Patient nur einmal identifizieren muss – beim Arzt oder in der Apotheke. Danach müssten dann alle Funktionen der gematik und auch der Messenger freigeschaltet sein. Auch die elektronische Patientenakte müsste damit freigeschaltet sein.

Haben Sie sich auch bereits mit anderen Gesundheitsberufen vernetzt?

Nein, nur mit Patienten. Denn das ist in dem Messenger, den wir nutzen nicht vorgesehen. Wir können aber zum Beispiel mit Pflegediensten über einen kleinen Umweg auch direkt und digital kommunizieren.

Was könnte bei dem Messenger noch besser funktionieren?

Ich bin sehr zufrieden, und habe da kaum Kritik. Bisweilen geht schon mal eine Nachricht nicht raus, das liegt aber vermutlich an der Infrastruktur. Allerdings gibt es einen Punkt grundsätzlich zu klären: Im KV-System muss der Arzt-Patienten-Kontakt neu definiert werden. Wenn ich einem Patienten beispielsweise über einen Messenger einen ärztlichen Rat erteile, kann ich diesen nicht abrechnen. Oder auch eine Video-Sprechstunde um 23.30 Uhr kann nicht mit Nachtzuschlag abgerechnet werden.

Das ist eine Frage für das Sozialgesetzbuch 5, da müsste der Arzt-Patienten-Kontakt neu definiert und an die technologische Entwicklung sowie an die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse angepasst werden.

Warum sollten mehr Ärzte auf einen Messenger setzen?

In erster Linie ist es die Zeitersparnis, die den Einsatz eines Messengers komfortabel macht. Man hat zum einen weniger Patienten in der Praxis, kann zum anderen aber trotzdem mehr Patienten versorgen und findet mehr Zeit für diejenigen Patienten, die wirklich den Arzt brauchen.

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