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Arzt oder Krankenhauspfleger hält zwei große Puzzelstücke mit Grafiken zum Thema Krankenhauszukunftsfonds

Krankenhauszukunftsfonds: Kein Geld ohne Telematikinfrastruktur

Kliniken, die von den Digitalisierungs-Milliarden profitieren wollen, müssen den praktischen Einsatz der TI-Anwendungen nachweisen.

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Als das Krankenhauszukunftsgesetz mit seinen Milliardenzuwendungen an die Kliniken am 18. September 2020 vom Bundestag verabschiedet wurde, stand es zu einem gewissen Teil im Zeichen der Pandemiebekämpfung. Mit einem Gesetzentwurf im August zu starten und sechs Wochen später drei Milliarden Euro für die knapp 2.000 Krankenhäuser verfügbar zu machen, aus denen mit Beteiligung der Bundesländer dann insgesamt vier Milliarden werden können, – das geht nur in besonderen Zeiten.

Doch im Grunde war der Investitionszuschuss für den Digitalausbau der Kliniken in Deutschland nur der nächste Schritt in einer Entwicklung, die mit der Verabschiedung des E-Health-Gesetzes 2015 unter Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe begann und von seinem seit 2018 amtierenden Amtsnachfolger Jens Spahn noch einmal deutlich beschleunigt wurde.

Politischer Wille: Fertig sein, bevor Google und Amazon kommen

In mehr als zwanzig Gesetzesvorhaben – wie dem Terminservice- und Vorsorgegesetz (TSVG), dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) oder dem Patientendatenschutzgesetz (PDSG) – wurde das Regelwerk weiterentwickelt, dessen Ziel darin besteht, den sicheren digitalen Austausch von Patientendaten in Deutschland zu ermöglichen. Die Zumutung, die mit der Umsetzung dieser Zielvorstellung verbunden ist, heißt Telematikinfrastruktur (TI) und ist das im Umgang deutlich zu kompliziert geratene Datennetz samt nutzerfeindlich konzipierter technischer Komponenten und Endgeräte. Erdacht schon vor 15 Jahren, durch permanente Verzögerungen nach permanenten Nachbesserungsforderungen etwas ältlich wirkend. So ältlich, dass es auch Spahn bei seiner Amtsübernahme am liebsten sofort überwunden und den Datenaustausch im Gesundheitswesen am liebsten gleich ohne TI und nur über Smartphones orchestriert hätte.

Doch bei genauer Betrachtung zeigte sich nicht nur, dass die notwendigen Sicherheitsstandards mit gängiger Handelsware nicht zu gewährleisten sein würden. Es wurde auch klar, wer in den Schaltzentralen des Datenverkehrs sitzen würde, wenn man die nationale Telematikinfrastruktur nicht durchsetzen würde – nämlich Google, vielleicht Microsoft, Amazon oder Smartphone-Riesen wie Samsung, deren Geräten die Nutzer ihre Daten anvertrauen würden.

Elektronische Gesundheitskarte (eGK) und elektronische Patientenakte (ePA): Der Krankenhauszukunftsfonds als Katalysator für den flächendeckenden Einsatz der Anwendungen der Telematikinfrastruktur

Ergebnis dieser Überlegungen war die beispiellose Konsequenz, mit der Jens Spahn und seine digitalen Vordenker im Gesundheitsministerium seitdem die Einführung der Telematikinfrastruktur und ihrer Anwendungen vorantreiben. Die elektronische Gesundheitskarte, auf der bisher nicht viel mehr als Name, Adresse und Geburtsdatum der Versicherten steht, bekommt neue, sinnvolle Funktionen: mit der Speicherung und der Auslesbarkeit von Notfall- und Medikationsdaten erhält die Karte einen Nutzen für Patienten und Mediziner. Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) bekommen die Menschen das lebenslange Recht auf einen freiwillig nutzbaren Digital-Speicher für ihre medizinischen Dokumente samt Impf- und Mutterpass. Doch aufgrund des zusätzlichen Aufwands, der mit der Nutzung dieser Vorzüge für Ärzte und medizinische Einrichtungen verbunden ist, gibt es permanenten und gelegentlich böig auffrischenden Gegenwind für den Digitalisierungstreiber Spahn.

Und der nutzte die Bekämpfung von Covid-19 für eine corona-spezifische Variante des Zuckerbrot-und-Peitsche-Spiels, nach dem die deutsche Gesundheitspolitik seit Jahren funktioniert. Zuckerbrot: Die seit Jahren von den Bundesländern investiv vernachlässigten Krankenhäuser bekommen aus dem im Krankenhauszukunftsgesetz beschlossene Krankenhauszukunftsfonds Zuschüsse für den Ausbau ihrer digitalen Infrastruktur und für die Digitalisierung ihrer Arbeitsprozesse sowie des Informationsaustauschs zwischen den Einrichtungen. Das Ganze muss nachweislich unter Verwendung der Anwendungen der Telematikinfrastruktur passieren. Und da kommt die Peitsche ins Spiel: Krankenhäusern, die bis 2025 nicht nachweisen können, Prozesse auf der Basis der TI-Anwendungen digitalisiert zu haben, drohen Strafzahlungen.

Der Krankenhauszukunftsfonds ist ein Krankenhausdigitalisierungsfonds, der die Anwendungen der Telematikinfrastruktur im Alltag etablieren soll

Das heißt im Klartext: Digitalisiere oder zahle. Es ist nicht nur so, dass eine Klinik, die keine Digitalisierungsprozesse auf Basis der Telematikinfrastruktur vorweisen kann, kein Geld erhält. Sie muss zahlen. Und zwar bis zu zwei Prozent Abschlag auf die Abrechnung aller voll- und teilstationären Fälle ab 2025. Diese Drohkulisse verstärkt das Sanktionsszenario, das bereits mit dem Verpassen der Frist für die technische Anbindung an die Telematikinfrastruktur zum 31.12.2020 verbunden ist. Der Krankenhauszukunftsfonds ist also eigentlich ein Krankenhausdigitalisierungsfonds, der die Nutzung der Anwendungen der Telematikinfrastruktur verbindlich vorschreibt und den Einsatz der TI-Applikationen im Alltag der Ärzte, Apotheker und Patienten etablieren soll.

Krankenhauszukunftsfonds: Spielen die Bundesländer bei der Finanzierung mit?

Für die Krankenhäuser besteht ein Problem darin, dass zumindest die Mittel aus dem Krankenhauszukunftsfonds zu 30 Prozent von ihnen selbst oder aber durch das jeweilige Bundesland kofinanziert werden müssen. Und insbesondere die Bundesländer sind es in den vergangenen Jahren gewesen, die ihren finanziellen Ausstattungsverpflichtungen gegenüber den Krankenhäusern in vielen Fällen nicht nachgekommen sind. Wie engagiert Länder den Krankenhauszukunftsfonds und die Kliniken auf dem Weg in die digitale Zukunft unterstützen, wird sich im Verlauf des Jahres 2021 zeigen, wenn die Projekte durch die Krankenhäuser angemeldet werden müssen.


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