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Telematikinfrastruktur in Kliniken: Die Tücke der Frist

Klinikmanager sollten die Grobplanung für die fristgerechte TI-Einführung in ihrem Haus so bald wie möglich abschließen.

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Eine frühzeitige Planung ist notwendig, um die Dimension der Aufgabe für die kommenden Monate erkennbar und die notwendigen Ressourcen verfügbar zu machen.

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) gibt es eine Frist, nämlich den 31.12.2020 bzw. – als Aufschiebefrist – den 31.12.2021: Krankenhäuser haben bis zu diesem Termin noch sanktionsfrei Zeit, sich an die Telematikinfrastruktur anzuschließen und die technischen und organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die relevanten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab dem 01.01.2022 mit der elektronischen Patientenakte umgehen können. Bei näherer Beschäftigung mit dem Thema zeigt sich, dass sich hinter dem einen Satz des Gesetzestextes eine komplexe Aufgabe verbirgt, die deutlich mehr Aufwand und Ressourcen beanspruchen wird, als sich auf den ersten Blick erkennen lässt.

Telematikinfrastruktur im Krankenhaus: 3 Themen für eine erfolgreiche Anbindung innerhalb der Frist

Hinter der Formulierung des Gesetzes stecken nämlich mehrere Prozesse, die zum Teil parallel umgesetzt werden müssen. Klinikleitungen brauchen deshalb ein bereichsübergreifendes Team, das sich bis zum Jahresende 2021 der Themen annimmt:

  1. die Einrichtung technisch an die Telematikinfrastruktur anzuschließen
  2. alle organisatorischen Umstellungen zu planen und umzusetzen, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung der TI-Anwendungen Versichertenstammdatenmanagement, Notfalldatenmanagement, e-Medikationsplan und elektronische Patientenakte sind
  3. alle relevanten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch geeignete Kommunikations- und Schulungsmaßnahmen in die Lage zu versetzen, kompetent mit den genannten TI-Anwendungen unter möglicherweise geänderten organisatorischen Maßnahmen umzugehen und außerdem auf die Beantwortung von Patientenfragen zu diesen Themen – inklusive des Umgangs mit der elektronischen Patientenakte – vorbereitet zu sein.

Vor allem Punkt 2 ist nach den Erfahrungen erfolgreich umgesetzter TI-Einführungsprozesse in der Regel deutlich umfangreicher als erwartet und erfordert die Klärung einer Vielzahl von Fragen, die nur indirekt etwas mit den Aufgaben der IT-Abteilungen zu tun haben – denen die Verantwortung für das Thema Telematikinfrastruktur an Kliniken gern überlassen wird. In der Regel erklären dann die IT-Verantwortlichen, dass die von gematik und Industrie angekündigten Rechenzentrumskonnektoren, die für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur im Krankenhaus vorgesehen sind, noch nicht zur Verfügung stehen. Daraus resultiert in den Kliniken dann der Trugschluss, die Beschäftigung mit dem Thema könne warten, bis die angekündigten technischen Lösungen einsatzfähig sind.

Frist-Einhaltung durch frühzeitige Rahmenplanung der Einführung der Telematikinfrastruktur im Krankenhaus

Das Gegenteil ist der Fall. Abgesehen von der inzwischen existierenden gesetzlichen Frist und abgesehen davon, dass es bereits in der Praxis funktionierende Alternativen zum Konzept der Rechenzentrumskonnektoren gibt, benötigen die unter Punkt 2 genannten internen Analyse-, Informationsbeschaffungs- und Planungsprozesse eher Monate als Wochen. Die zu klärenden Fragen ergeben sich im Kern aus der Tatsache, dass mit der Einführung der TI-Anwendungen jenseits des Versichertenstammdatenabgleichs nicht mehr nur Daten von den Versichertenkarten gelesen werden. Vielmehr müssen gegebenenfalls von Ärzten unter Verwendung der persönlichen Heilberufsausweise (HBA) – die dann parallel zur Versichertenkarte in ein e-Health-Kartenterminal gesteckt werden müssen -, auch Datensätze auf diese geschrieben werden.

In welchen Fällen wird das wann, wo und von wem erledigt? Welche technischen und organisatorischen Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein? Sind die derzeit gelebten Prozesse und Schreibzimmer-Routinen dafür geeignet? Müssen sie verändert werden? Müssen neue Kartenlesegeräte angeschafft und angeschlossen werden? Dort wo das der Fall sein sollte – sind die gesetzlich dafür vorgeschriebenen baulichen und technischen Voraussetzungen gegeben?

Die Antworten auf diese und weitere Fragen müssen für jede Organisationseinheit, für jede Station gefunden werden. Das setzt eine seriöse Bestandsaufnahme samt Bedarfsklärung durch Leute voraus, die wissen, was sich durch die Einführung von TI-Anwendungen wie dem Notfalldatenmanagement, dem e-Medikationsplan oder eben der elektronischen Patientenakte ändert.

Das alles muss geklärt sein, bevor die technische Ausstattung bestellt und die technische Anbindung umgesetzt werden kann – ein Prozess, der seinerseits mehrere Monate dauert. Deshalb bietet sich für den TI-Einführungsprozess an Kliniken ein Vorgehen an, das mit einer frühestmöglichen Rahmenplanungsphase beginnt, in deren Verlauf innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die konkreten Handlungsfelder für die betreffende Einrichtung definiert werden. Wenn man den 31.12.2021 als Zeitpunkt setzt, zu dem die Klinik technisch an die TI angebunden und über geschulte sowie auskunftsfähige Mitarbeiter verfügen soll, ergibt sich daraus für das Jahr 2021 die Empfehlung für ein Vorgehen nach dem in der untenstehenden Grafik dargestellten Grobschema: Der Rahmenplanung folgen Detailplanung, Umsetzung und Schulung.

TI-Einführung in Krankenhäusern: begleitende Kommunikation als wichtiger Erfolgsfaktor

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für einen erfolgreichen TI-Einführungsprozess ist eine fundierte begleitende Kommunikation. Allein die Analyse und Informationsbeschaffung im Rahmen der Detailplanung involviert so viele Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen, dass denen die Bedeutung der aktuellen Informationserhebungsprozesse bewusst gemacht werden muss. Denn anderenfalls kommt es zu Akzeptanzproblemen, geschlossenen Türen, Blockaden und Prozessverzögerungen. Deshalb sollte ein Konzept für die prozessbegleitende Kommunikation der TI-Einführung, das auch die Phase der Analyse und Detailplanung berücksichtigt, unbedingt ein Ergebnis der Rahmenplanungsphase sein. Die Information darüber, dass und auf welchem Weg sich die Klinikleitung dem Thema TI-Einführung nähert, kann aber auch schon beginnen, wenn das Konzept noch nicht detailliert vorliegt, denn wichtig ist für die Beschäftigten vor allem der Eindruck, dass das Klinikmanagement das Thema auf dem Schirm (und hoffentlich im Griff) hat.

Für Kliniken, in denen es noch keine bereichsübergreifenden Arbeitsgruppen gibt, die sich mit konkreten Digitalisierungsthemen beschäftigen, sollte die TI-Einführung als konkret erlebbarer Kernprozess der Digitalisierung in der eigenen Einrichtung ein Anlass sein, genau diese bereichsübergreifende Handlungsfähigkeit zu installieren. Die Existenz dieses Teams sollte zeitlich nicht auf den TI-Einführungsprozess begrenzt werden. Denn die TI-Anbindung und die Einführung der Telematikinfrastruktur im Krankenhaus sind nur wesentliche erste Digitalisierungsschritte, denen weitere folgen werden. Und nachdem die Digitalisierungsthemen die Eigenschaft haben, nicht auf historisch gewachsene Management- und Entscheidungsstrukturen in Kliniken Rücksicht zu nehmen, sollte jede Klinikleitung darauf bedacht sein, längerfristig Strukturen zu etablieren, die bereichsübergreifend funktionieren und auf neue Herausforderungen schnell reagieren können. Denn die digitalen Veränderungsprozesse, die mit der Telematikinfrastruktur beginnen, werden nicht mit der Einführung der elektronischen Patientenakte enden.


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